08.08. Forward’17 Speaker Davide Bortot über seine Schwimmkarriere, die Zeit bei RBMA und warum er nicht an Ideen glaubt
Davide Bortot war:
– Philosophie- und Logik-Student (abgeschlossen)
– mehr Schwimmer als Leistung
– darum bald Schwimmtrainer
– Chefredakteur eines Hip Hop Magazins
– mitverantwortlich für die Red Bull Music Academy
– einer, der, was er macht, mit gebotener Ernsthaftigkeit angeht
– seit vier Jahren ist das ein Studio für Design und digitale Produktentwicklung
und haut am Telefon Sätze raus, die so druckreif sind, dass wir sie direkt als Monolog bringen.
Wie ich begonnen habe
Die guten Partys in meiner Heimatstadt München waren sonntags im Atomic Cafe. Ein Club, der mittlerweile zu hat. Eigentlich war es natürlich komplett unvernünftig dahinzugehen, weil schließlich am nächsten Tag Schule war. Aber letztlich hat mir genau das meinen ersten Job eingebracht.
Da gab es diesen DJ, der auch im Plattenladen gearbeitet hat. DJ Fisherman. Er hat gesehen: Da ist dieses Kid, das liebt die Musik echt sehr. Irgendwann ist er zu einem Magazin gewechselt und hat mich gefragt: Kannst du schreiben? Ich meinte so: Äh, ja, glaub schon. Hab ich noch nie gemacht. Aber ich probier’s mal.
Da war ich 19.
Ich bin davon überzeugt, dass es nicht immer ratsam ist, das vermeintlich Vernünftige zu tun. Oft ist man gut damit beraten, auf sein Herz zu hören und seiner Leidenschaft nachzugehen. Ich dachte lange, ich würde Jura studieren. Und die Leute um mich herum waren sich auch alle sicher, dass ich so etwas in der Art tun würde. Aber mein Herz hat etwas anderes gesagt. Und letztlich baut alles, was ich mir in meinem Leben aufgebaut habe, auf diesem Moment auf: Ich steh mit 18 im Atomic und will nirgendwo anders sein.
Wie ich arbeite
Ich bin ein Mensch, der sich immer sehr stark dadurch definiert hat, was er macht und das mit der gebotenen Ernsthaftigkeit. Im Tiefsten meines Herzens bin ich ein Nerd, der es mag, sich in Sachen reinzufuchsen. Die wirklich zu verstehen, in ihrem Wesen zu durchdringen – und dann darin etwas Gutes zu bewirken, diesen Welten etwas hinzuzufügen.
Ich habe diese Theorie, eine Musik-Analogie. Es gibt die Leute, die hören einfach Musik. Dann gibt es Leute, die haben das Geniale in sich. Die erschaffen, ohne groß nachzudenken. Und dann gibt es Leute, die eine Platte nehmen und als erstes die Liner-Notes lesen. Die versuchen zu verstehen: Wie hängt das eigentlich alles zusammen?
Ich gehöre zur dritten Kategorie. Den Liner-Notes-Menschen. Das gilt für alles im Leben.
Was alles verbindet
Ich hab schon viele verschiedene Dinge gemacht. Auf den ersten Blick ist das schwer nachzuvollziehen, auch für mich. Trotzdem: Das bin immer ich. Und Dinge passieren ja auch nicht durch Zufall. Ich habe jedenfalls immer versucht, ihm auf die Sprünge zu helfen.
Was alles verbindet, ist jedenfalls diese Idee, die wir auch als Leitsatz auf unserer Website haben: Letting people and projects grow. Ich wollte immer Leute, die ich mag, in eine Position bringen, in der sie besser werden, wachsen, sich weiterentwickeln können.
Was ich falsch gemacht habe
Als Chefredakteur beim Hip-Hop-Magazin JUICE war ich zum ersten Mal in der Position, so ein Ermöglicher zu sein.
Aber ich habe es genau falsch gemacht.
Ich war der beste Schreiber, zumindest dachte ich das. Aber ich war ein schlechter Chefredakteur, das muss man einfach sagen. Mein Ansatz war immer nur: Jedes Heft, jeder einzelne Text muss der Beste sein.
Ich war 23, 24 und der Überzeugung: Keiner kann es so wie ich. Also habe ich, wenn mir etwas nicht gefallen hat, einfach alles umgeschrieben. Aber ich habe nie direkt Feedback gegeben, nie den Leuten geholfen, besser zu werden. Erst im Nachhinein habe ich gemerkt: Das war wahnsinnig kurzsichtig.
Warum ich nicht an Ideen glaube
Ich glaub nicht an Ideen. Davon haben viele Leute sehr viele gute. Viel wichtiger als die Idee ist aber immer die Umsetzung. Es geht darum, es durchzuziehen, auf wirtschaftlicher Ebene sowieso, aber auch auf kreativer Ebene.
Eine Idee, die auf einem Whiteboard steht, ist erstmal nur eine Idee. Wertlos. Interessant wird sie, wenn Menschen damit interagieren und man dadurch einen Wert für eine Community oder gar die ganze Gesellschaft schafft.
Viele Leute aus der Kreativbranche sind meines Erachtens zu fokussiert auf Ideen. Natürlich gibt es Visionäre und Genies, deren Ideen alles geändert haben. Aber davon gibt es halt nicht besonders viele und sie eignen sich meines Erachtens auch nicht besonders gut als Vorbild. Ich persönlich jedenfalls habe nie irgendetwas revolutionär Neues oder Visionäres gemacht. Aber die Qualität der Umsetzung, die Detailgenauigkeit, der Respekt der Materie gegenüber, das alles habe ich immer sehr ernst genommen.
Warum ich Freunde und Business (fast) nie trenne
Ich habe Persönliches und Arbeit immer sehr stark vermischt. Ich habe auch Freunde, mit denen ich nicht arbeite. Aber umgekehrt gibt es kaum Leute, mit denen ich arbeite, die ich nicht als meine Freunde sehe. Für mich ist das immer auch persönlich.
Mehr Schwimmer als Leistung
Als Jugendlicher war ich Leistungsschwimmer. Ich habe viel trainiert, war aber immer schlecht. Irgendwann habe ich gemerkt, dass mir die theoretische Auseinandersetzung und vor allem die Vermittlung mehr liegt. Ich bin ein verkopfter Mensch, im Wettkampf habe ich verkrampft. Aber ich kann mit Leuten reden.
Was ich vom Sport gelernt habe? Ich finde, man darf Sport nicht als Lebensschule überhöhen. Es ist zum Beispiel nicht jeder seines eigenen Glückes Schmied. Im Sport schon meistens, aber im echten Leben definitiv nicht. Dieser Glaube ist gefährlich.
Was ich im Sport gelernt habe, ist etwas über mich. Dass es manchmal besser ist, wenn ich nicht zu verkopft an eine Sache herangehe, sondern es einfach laufen lasse.
Über Rap und Selbstvermarktung
Was ich an der Hip-Hop-Mentalität immer faszinierend fand, vor allem an der Mentalität im Südstaaten-Rap von Master P, Cash Money oder Rap-A-Lot Records: Die haben sich nie beschwert, dass sich keiner für sie interessiert, sondern einfach ihre eigene Industrie aufgebaut. Und sie haben schnell gemerkt: Wenn wir alles selber machen, müssen wir nicht 90% abgeben und es bleibt mehr für uns.
Die Rapper aus Louisiana, Texas oder Tennessee haben das – ohne sich groß Gedanken zu machen – schnell erkannt. Sie haben ihre Kassetten aus dem Kofferraum verkauft. Damit haben sie früh vorweggenommen, was heute das Standardmodell für Musiker ist, eigentlich für alle Kreativschaffende: Ich bin ein Unternehmer, ich bin dafür verantwortlich, wie mein Zeug an die Leute kommt. Man kann sich nicht mehr einfach auf irgendwelche Gatekeeper verlassen. Im Gegenzug hat jeder die Möglichkeit, seine eigene Marke, Firma, Welt aufzubauen – was auch immer das heißt.
Als Musik-Nerd freut mich, dass 20 Jahre später auch die Europäer dem Südstaaten-Rap die Aufmerksamkeit geben, den er verdient hat. Da war früher viel Arroganz da. Jeder, der nicht wie Nas gerappt hat, war nicht cool. Das ist jetzt anders.
Was ich mit A color bright machen will
Wir sind in erster Linie eine Design-Firma. Für uns heißt das: Wie können wir durch Design – und allgemein unsere Arbeit – eine Organisation, ein Projekt, eine Marke, eine Community entscheidend voranbringen. Das ist immer die entscheidende Frage.
Mit voranbringen meine ich nicht primär: Wie kann man durch eine Kampagne erwirken, dass mehr Leute das Produkt kaufen? Sondern: Wie kann man eine Organisation von innen heraus so verändern, dass sie einen Schritt nach vorne macht.
Und der spannendste Bereich ist momentan nun mal Software. Oder genauer: wie Software die Welt und Firmen verändert.
Das ist, was wir machen wollen. Was uns nicht so interessiert: eine Website zu bauen, die cool aussieht. Klar, das kann auch eine Rolle spielen, und das machen wir auch. Aber diese ganze Idee von Grafikdesign im Internet finden wir nicht so wahnsinnig spannend.
Nimm als Beispiel unsere Arbeit an der Red Bull Music Academy. Die hat gestartet als Event. Es ging darum, einmal im Jahr Musiker aus der ganzen Welt zusammenzubringen. Dieser Kern ist nach wie vor bestehen geblieben und auch großartig: Es gibt wenig, was mehr Magie in sich trägt, als wenn kreative Menschen in einem Raum zusammenkommen.
Aber es gab mehr als das: dieses Netzwerk, diese Philosophie, die dahintersteckt. Also hat man sich gefragt: Wie können wir die RBMA weiterentwickeln? Eine Idee war, sie auch als Medienunternehmen zu sehen. Und wir als A Color Bright haben geholfen, sie dazu umzubauen. Mit einem Online-Magazin oder auch einem Streaming-Service, Red Bull Radio.
Über Freiheit
Ich habe jetzt seit fast vier Jahren meine eigene Firma, zusammen mit meinem Kompagnon Sven Ellingen. Diese Erfahrung hat das Konzept von Freiheit für mich neu definiert. Die gängige Annahme ist ja: Wenn man sein eigenes Ding macht, ist man frei. Das stimmt natürlich auch und es ist wahnsinnig lehrreich, schön und inspirierend.
Gleichzeitig habe ich ganz stark gespürt, welche Rolle Verantwortung spielt. Verantwortung für Projekte, Verantwortung für andere Menschen. Die wächst natürlich mit einer eigenen Firma.
Ich kann sagen: Ich bin so frei und gleichzeitig so unfrei wie noch nie in meinem Leben zuvor. Aber diese Unfreiheit ist nichts Schlechtes, im Gegenteil. Ich bin sehr glücklich damit. Ich habe jetzt nur einen anderen Blick auf diese Frage.
Mehr über Davide und A color bright findest du hier: www.acolorbright.com. Interview von Felix Diewald.